Grüne Versicherungen als Zukunftsmodell für nachhaltige Kundenbindung

In einer Welt, in der Nachhaltigkeit nicht mehr nur ein Trend, sondern eine gesellschaftliche Erwartung geworden ist, stehen Unternehmen aller Branchen vor der Herausforderung, verantwortungsvolle und zugleich wirtschaftlich attraktive Lösungen zu entwickeln. Auch die Versicherungswirtschaft bleibt davon nicht unberührt. Denn immer mehr Kund*innen stellen nicht nur Fragen zur finanziellen Absicherung, sondern auch zur ökologischen und sozialen Verantwortung eines Anbieters.

Grüne Policen, also Versicherungsprodukte mit nachhaltigem Charakter, erleben deshalb derzeit einen enormen Aufschwung. Sie versprechen nicht nur Umweltschutz durch Investitionen in grüne Projekte oder klimafreundliche Leistungen, sondern punkten gleichzeitig mit handfesten wirtschaftlichen Vorteilen – zum Beispiel durch Beitragsermäßigungen, Förderung energieeffizienter Maßnahmen oder besondere Leistungen im Schadensfall. Damit sprechen sie eine deutlich breitere Zielgruppe an, als es viele Versicherer bislang wahrgenommen haben.

Doch wie gelingt es, diese Mehrwerte glaubwürdig zu kommunizieren – gerade gegenüber einer oft skeptischen Kundschaft, die Greenwashing und leere Marketingversprechen fürchtet? Welche Zielgruppen lassen sich mit grünen Policen besonders gut erreichen? Und wie können Versicherungen ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) authentisch in ihr Produkt- und Beratungsportfolio integrieren?

In diesem Blogartikel analysieren wir die Chancen und Herausforderungen nachhaltiger Versicherungsprodukte, beleuchten die Erwartungen verschiedener Zielgruppen und zeigen konkrete Wege auf, wie Versicherer durch zielgerichtete Kundenansprache, klare Kommunikation und nachhaltige Produktgestaltung Vertrauen schaffen und langfristige Kundenbindungen stärken können. Unterstützt durch praxisnahe Beispiele und aktuelle Studien werfen wir einen ganzheitlichen Blick auf das Potenzial grüner Policen – für Kunden, Versicherer und unsere Umwelt.

2. Die Bedeutung nachhaltiger Versicherungsprodukte

In den vergangenen Jahren hat sich das Bewusstsein für Umwelt- und Sozialverantwortung grundlegend verändert – nicht nur bei Konsument*innen, sondern auch bei Finanzdienstleistern. In diesem Kontext haben sich nachhaltige Versicherungsprodukte, auch bekannt als „grüne Policen“, von einer Nische zu einem viel beachteten Trend innerhalb der Branche entwickelt. Doch was genau bedeutet „nachhaltig“ im Kontext von Versicherungen – und warum ist dieses Thema so entscheidend für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen?

Was macht eine Versicherung „nachhaltig“?

Ein nachhaltiges Versicherungsprodukt zeichnet sich dadurch aus, dass es ökologische, soziale und ethische Aspekte in seine Gestaltung, Verwaltung und Wirkung integriert. Dabei spielen die sogenannten ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) eine zentrale Rolle. Diese Standards werden weltweit genutzt, um die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen zu bewerten:

  • Environmental (Umwelt): Berücksichtigung von Klima- und Umweltrisiken, Investitionen in grüne Projekte oder klimafreundliche Schadensregulierungen.

  • Social (Soziales): Fairness gegenüber Kund*innen und Mitarbeitenden, Förderung sozialer Projekte oder Schutz vulnerabler Gruppen.

  • Governance (Unternehmensführung): Transparente Strukturen, Vermeidung von Korruption und Einhaltung ethischer Standards.

Ein Beispiel: Eine Wohngebäudeversicherung, die einen Zuschuss für die energetische Sanierung eines Hauses bietet oder die Schadensregulierung bei Extremwetterereignissen vereinfacht, ist mehr als nur ein klassisches Produkt – sie wird zu einem aktiven Teil der Energiewende und des gesellschaftlichen Wandels.

Warum setzen immer mehr Versicherer auf nachhaltige Produkte?

Der zunehmende Klimawandel, strengere gesetzliche Anforderungen und der wachsende Druck von Investorinnen und Kundinnen zwingen Versicherer zum Umdenken. Nachhaltigkeit ist nicht länger ein „Nice-to-have“, sondern ein geschäftskritischer Faktor.

Einflussreiche Rahmenwerke wie die EU-Taxonomie oder die Offenlegungsverordnung verpflichten Finanzunternehmen inzwischen zur Transparenz hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsstrategien. Damit steigen auch die Erwartungen an Versicherer, ihren Beitrag zu einem verantwortungsvollen Wirtschaften offen zu kommunizieren und aktiv umzusetzen.

Kundenerwartungen verändern den Markt

Immer mehr Menschen – vor allem jüngere Zielgruppen wie Millennials oder die Generation Z – hinterfragen nicht nur, was sie kaufen, sondern auch wie es produziert oder angeboten wird. Eine Umfrage von EY Deutschland zeigte bereits 2023, dass über 60 % der befragten Versicherungskund*innen Produkte bevorzugen, die mit ökologischen oder sozialen Mehrwerten verbunden sind. Dabei steht nicht nur der Klimaschutz im Vordergrund, sondern auch der Wunsch nach Transparenz, Ethik und Glaubwürdigkeit.

📚 Quelle:
https://www.ey.com/de_de/insights/insurance/nachhaltigkeit-entscheidet-ueber-versicherungsabschluss

Wettbewerbsvorteil für Versicherer

Versicherer, die frühzeitig in nachhaltige Produktentwicklung investieren, verschaffen sich damit einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil:

  • Sie sprechen bewusst neue Kundengruppen an, die klassischen Angeboten kritisch gegenüberstehen.

  • Sie verbessern ihr Image und erhöhen die Kundenbindung durch Sinnstiftung.

  • Sie sichern sich Zugang zu neuen Märkten und Investoren, die verstärkt auf ESG-Kriterien setzen.

Die „grüne Versicherung“ ist somit nicht nur Ausdruck gesellschaftlicher Verantwortung, sondern ein strategisches Asset, das Zukunftssicherheit bietet.

3. Zielgruppenanalyse: Wer sind die Kundinnen und Kunden?

Nachhaltige Versicherungsprodukte sind mehr als nur eine Reaktion auf ökologische Trends – sie sind ein strategisches Mittel zur gezielten Kundenansprache. Doch damit diese Produkte auch erfolgreich vermarktet werden können, müssen Versicherer verstehen, welche Kundengruppen sie damit erreichen können – und wie. Eine differenzierte Zielgruppenanalyse ist der Schlüssel, um grüne Policen nicht nur zu entwickeln, sondern auch erfolgreich zu verkaufen.

Drei zentrale Zielgruppen für grüne Versicherungen

1. Die Überzeugten – Nachhaltigkeit aus innerem Antrieb

Diese Kundengruppe besteht aus Menschen, die sich aktiv mit Klimaschutz, sozialer Gerechtigkeit und ethischem Konsum auseinandersetzen. Sie sind bereit, für Nachhaltigkeit Kompromisse einzugehen – auch in finanzieller Hinsicht.

Typische Merkmale:

  • Hoher Informationsstand zu ESG-Themen

  • Große Affinität zu grünen Investments und nachhaltigem Konsum

  • Erwartung an die ethische Integrität des Unternehmens

Ansprache-Tipp:
Hier punkten Versicherer mit Transparenz, konkreten ESG-Maßnahmen und einem glaubwürdigen Markenauftritt. Diese Zielgruppe möchte wissen, wohin ihr Geld fließt – etwa in erneuerbare Energien, soziale Projekte oder ethisch korrekte Anlagen.

2. Die Pragmatischen – Nachhaltigkeit mit Mehrwert

Diese Gruppe ist offen für nachhaltige Angebote – vorausgesetzt, sie bieten messbare Vorteile. Die Entscheidung für eine grüne Police fällt meist dann, wenn sie neben dem ökologischen Nutzen auch wirtschaftlich sinnvoll erscheint.

Typische Merkmale:

  • Kostenbewusstsein und Sicherheitsdenken

  • Interesse an Innovationen, solange sie bewährt und nachvollziehbar sind

  • Wünschen sich „das Beste aus beiden Welten“: Nachhaltigkeit + Sparpotenzial

Ansprache-Tipp:
Hier überzeugen klare Argumente wie Beitragsrabatte, steuerliche Vorteile oder der Schutz vor klimabedingten Schäden. Wichtig ist eine leicht verständliche, nutzenorientierte Kommunikation.

3. Die Zukunftsorientierten – Sicherheit durch Verantwortung

Vor allem junge Familien, Selbstständige und jüngere Berufstätige zählen zu dieser Gruppe. Sie denken langfristig, legen Wert auf Werteorientierung und wollen Verantwortung für kommende Generationen übernehmen.

Typische Merkmale:

  • Starkes Interesse an ethisch vertretbaren Produkten

  • Wunsch nach Stabilität und nachhaltiger Vorsorge

  • Offen für neue Wege, wenn sie nachvollziehbar sind

Ansprache-Tipp:
Hier wirken Storytelling, emotionale Markenbotschaften und langfristige Perspektiven – etwa: „Sichere heute dein Zuhause ab und schütze gleichzeitig unsere Umwelt für deine Kinder.“

Ein Produkt – viele Perspektiven

Entscheidend ist: Eine grüne Police ist kein One-size-fits-all-Produkt. Was für die Überzeugten ein ideologischer Ausdruck ist, ist für die Pragmatischen ein Bonus und für die Zukunftsorientierten ein Beitrag zur Lebensplanung. Versicherer müssen daher nicht nur die Produktmerkmale, sondern vor allem die Kommunikationsstrategien differenzieren.

💡 Praxis-Tipp:
Entwickle zielgruppenspezifische Kampagnen, z. B. mit Umweltbotschaftern für Idealist*innen oder interaktiven Rechnern für Preisbewusste. Nutze unterschiedliche Kanäle (z. B. Social Media vs. Kundenberatung) und passe Sprache, Bildwelt und Argumentation an die jeweilige Zielgruppe an.

4. Finanzielle Anreize grüner Policen

Nachhaltigkeit wird oft mit Idealismus in Verbindung gebracht – doch wer denkt, grüne Versicherungen seien nur etwas für besonders umweltbewusste Menschen, verkennt ihr wirtschaftliches Potenzial. Denn nachhaltige Policen bieten nicht nur ökologische Vorteile, sondern auch ganz konkrete finanzielle Anreize. Diese machen sie insbesondere für pragmatische und kostenbewusste Kundinnen und Kunden attraktiv, die ihren Versicherungsschutz gerne mit einem messbaren Mehrwert verbinden.

Sparen mit Verantwortung – wie Nachhaltigkeit bares Geld bringt

Eine nachhaltige Versicherung kann auf vielfältige Weise wirtschaftlich lohnenswert sein. Zu den wichtigsten finanziellen Vorteilen zählen:

Beitragsnachlässe und Boni

Viele Versicherer bieten Kundinnen und Kunden Rabatte oder Bonuszahlungen, wenn bestimmte umweltfreundliche Maßnahmen erfüllt sind. Dazu zählen z. B.:

  • Energieeffiziente Bauweise beim Wohngebäude

  • Nutzung erneuerbarer Energien

  • Verzicht auf umweltschädliche Technologien

  • Schadensvermeidung durch präventive Maßnahmen

Beispiel:
Die Baloise Wohngebäudeversicherung gewährt Beitragsnachlässe, wenn Immobilien nachhaltig gebaut oder energetisch saniert wurden.

Nachhaltige Kapitalanlage

Einige Policen investieren die Prämien ihrer Kundinnen und Kunden gezielt in nachhaltige Anlageklassen – etwa Wind- und Solarprojekte, Sozialanleihen oder ESG-konforme Fonds. Dadurch profitieren Versicherte indirekt von der positiven Entwicklung grüner Finanzmärkte.

Diese Anlagestrategien sind nicht nur ethisch sinnvoll, sondern können auch langfristig risikoärmer und renditestabiler sein – wie Studien zu ESG-Investments belegen.

Quelle:
https://www.deka.de/site/dekade_deka-gruppe_site/get/documents_E1505691894/dekade/medienpool/deka-gruppe/pdf_nachhaltigkeit/DEKA-ESG-Kurzstudie-2023.pdf

Erweiterte Leistungen im Schadensfall

Nachhaltige Policen enthalten häufig leistungsstärkere Bedingungen bei klimabedingten Risiken. Dazu gehören etwa:

  • Schnellere Auszahlung bei Hochwasser- oder Sturmschäden

  • Kostenübernahme für Wiederaufbau mit umweltfreundlichen Materialien

  • Zuschüsse für energieeffiziente Ersatzanschaffungen

So belohnen Versicherer nicht nur ökologisches Verhalten, sondern fördern es auch aktiv im Schadensfall.

Staatliche Förderprogramme nutzen

Versicherungsprodukte, die energetische Sanierungen, Elektromobilität oder nachhaltige Bauweise fördern, lassen sich mit staatlichen Zuschüssen kombinieren – etwa über die KfW, BAFA oder Steuererleichterungen. Versicherer, die ihre Produkte darauf abstimmen, können hier zusätzliche Sparpotenziale erschließen und diese gezielt an ihre Kundinnen und Kunden weitergeben.

Finanzielle Argumente – das Sprachrohr zur breiten Masse

Der ökologische Nutzen grüner Policen spricht in erster Linie idealistische Menschen an. Doch die wirtschaftlichen Vorteile eröffnen ganz neue Zielgruppen:

  • Preisbewusste Kundinnen und Kunden, die beim Wechsel oder Neuabschluss sparen möchten

  • Menschen, die Sicherheit mit ethischem Handeln verbinden wollen

  • Skeptische Interessierte, die mit einem attraktiven Kosten-Nutzen-Verhältnis überzeugt werden können

Versicherer sollten daher den finanziellen Mehrwert klar herausstellen, ohne dabei den ökologischen Kern aus dem Blick zu verlieren. Die Balance aus Vernunft und Verantwortung ist der Schlüssel zur erfolgreichen Ansprache.

💬 Praxisbeispiel:
Ein Werbeslogan wie „Versichern Sie Ihr Zuhause – und investieren Sie gleichzeitig in die Umwelt“ verbindet Schutz, Rendite und Nachhaltigkeit auf eingängige Weise.

5. Regulatorische Rahmenbedingungen

Nachhaltigkeit in der Versicherungsbranche ist längst nicht mehr nur freiwillige Kür – sie wird zunehmend zur Pflicht. Gesetzliche Vorgaben und regulatorische Standards auf europäischer wie nationaler Ebene treiben die Integration von Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) in Finanz- und Versicherungsprodukte entscheidend voran. Wer grüne Policen anbietet, muss sich mit diesen Regeln auskennen – und sie aktiv gestalten.

ESG wird Pflicht: Der gesetzliche Rahmen

Zentrale regulatorische Bausteine für Versicherungsunternehmen und Finanzberaterinnen und -berater sind:

Offenlegungsverordnung (SFDR – Sustainable Finance Disclosure Regulation)

Seit März 2021 verpflichtet die Offenlegungsverordnung Versicherer und andere Finanzmarktteilnehmerinnen und -teilnehmer dazu, offenzulegen, wie Nachhaltigkeitsrisiken in ihren Produkten berücksichtigt werden. Dazu gehören:

  • Angaben auf Webseiten und in Verkaufsunterlagen

  • Klassifizierung von Produkten nach Nachhaltigkeitsmerkmalen (Artikel 6, 8 oder 9)

  • Transparenz über Investitionsentscheidungen und deren ökologische und soziale Wirkungen

🔗 Quelle:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32019R2088

EU-Taxonomie

Die EU-Taxonomie-Verordnung definiert klare Kriterien dafür, was als „ökologisch nachhaltig“ gilt. Versicherungsprodukte, die als grün vermarktet werden, müssen diese Kriterien erfüllen, wenn sie entsprechende Label oder Aussagen verwenden möchten.

Diese Klassifizierung fördert die Glaubwürdigkeit gegenüber Kundinnen und Kunden und schützt vor dem Vorwurf des Greenwashings.

🔗 Quelle:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32020R0852

Pflicht zur Nachhaltigkeitsberatung

Seit dem 2. August 2022 sind Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler gesetzlich dazu verpflichtet, im Beratungsgespräch zu klären, ob Kundinnen und Kunden Nachhaltigkeitspräferenzen haben – und diese in der Produktempfehlung zu berücksichtigen.

Das bedeutet konkret: Wer ein grünes Produkt bevorzugt, muss ein solches angeboten bekommen – oder eine plausible Erklärung, warum dies nicht möglich ist.

Praxis-Tipp für Versicherer:
Schulen Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig zu ESG-Kriterien und regulatorischen Änderungen. So können sie fundiert beraten – und Vertrauen aufbauen.

Chancen für Anbieterinnen und Anbieter

Auch wenn neue Regulierungen zunächst nach Mehraufwand klingen: Sie bieten zahlreiche Vorteile für Versicherungsunternehmen:

  • Wettbewerbsvorteil durch ESG-konforme Produkte

  • Vertrauensaufbau durch transparente Kommunikation

  • Attraktivität für Investorinnen und Investoren, die auf Nachhaltigkeit achten

  • Rechtssicherheit im Umgang mit anspruchsvollen Kundinnen und Kunden

Insbesondere große Kundengruppen – wie junge Berufstätige, Familien oder institutionelle Investorinnen und Investoren – fordern zunehmend glaubwürdige Nachhaltigkeitskonzepte.